Der letzte deutsche Kaiser hat das Schloss Bad Homburg und seine Umgebung baulich stark verändert. Eingriffe am barocken Landgrafenschloss gab es in der wilhelminischen Zeit nicht nur im Königsflügel, sondern auch außerhalb: Die so genannte „Romanische Halle“ und die Erlöserkirche sind die sichtbarsten architektonischen ‚Zuwächse‘ in der Zeit, als die kaiserliche Familie Bad Homburg als Sommerresidenz nutzte. Einige der Weiterentwicklungen wurden nach 1918 wieder zurückgebaut. So existiert beispielsweise eine Rampe nicht mehr, für die die alte Burgmauer durchbrochen wurde, um den oberen Schlosshof mit dem landschaftlichen Schlossgarten zu verbinden.
Nils Wetter, ausgezeichneter Kenner des Schlosskomplexes, veranschaulichte preußische Baumaßnahmen seit 1866, als die hessen-homburgische Landgrafschaft aufhörte zu existieren, und die von dem Bad Homburger Stadtbaumeister Louis Jacobi durchgeführten Veränderungen mit einer Fülle von erhaltenen Grundrissplänen, Aufrissen, Entwurfszeichnungen sowie mit historischen Fotografien und 3D-Modellen. Auf diese Weise konnte das Publikum Umbauten und Ergänzungen bis ins kleinste Detail verfolgen.
Zu sehen war unter anderem eine ‚Badezimmer‘-Baustelle in den Königsflügel-Räumen von Kaiserin Auguste Viktoria, in der einst eine in einem Schrank versteckte Badewanne stand. Diese damals moderne Hygienezone wurde während der gegenwärtig noch andauernden Sanierung des Flügels neu entdeckt. Außerdem zeigte Wetter einen im Jahr 1917 gebauten Kaiser-Bunker im Kellergeschoss hinter schweren Eisentüren, der das damalige Staatsoberhaupt vor möglichen Übergriffen in den letzten Tagen des Ersten Weltkrieges hätte schützen können.
Dass Wilhelm II. eine Vorliebe für die Taunus-Region hatte und die exponierte Lage des Schlosses zu schätzen wusste, wurde an den Ausführungen des Referenten zur „Romanischen Halle“ deutlich. Der Kaiser nutzte sieben, als Geschenk erhaltene mittelalterliche Doppel-Kapitelle (und ergänzte um Kopien) samt Säulenschäften und Basen aus einem abgetragenen Kreuzgang der Abtei Brauweiler bei Köln aus dem 12. Jahrhundert, um dem Bibliotheksflügel eine Säulenhalle mit Kreuzgewölbe anzufügen. Von einer Terrasse darüber, zu der man über eine heute zugemauerte Treppe gelangte, bot sich ihm der schöne Panoramablick auf die Taunushänge. Aus alten Inventaren geht hervor, dass die Terrasse mit weiß gestrichenen Möbeln aus Weidengeflecht ausgestattet war.
An der historistischen „Romanischen Halle“ wird besonders deutlich, in welcher Weise der Kaiser als Bauherr Architektur geschichtlich-herrschaftlich auflud. Die Kreuzgangsspolien aus Brauweiler knüpften an die glorreiche Zeit staufischer Herrscher an, die Terrassenmöbel waren im „römischen Stil“ gehalten und Wappen an der Stirnwand der offenen Halle stellten genealogische Bezüge her – zu Preußen und Großbritannien, der Heimat seiner Mutter Viktoria.
Einen kurzen Ausblick gab Wetter auf die Erlöserkirche, die Wilhelm II. von seinem Schlafzimmer aus sehen konnte. Sie gilt als Musterbeispiel wilhelminischen Kirchenbaus. Das von Franz Schwechten in neoromanischem Stil errichtete Gotteshaus wurde mit einem extra Eingang für die Kaiser-Familie versehen, um zur Kaiser-Loge zu gelangen. Und auch die Schlossgartenmauer ließ der Kaiser für einen direkten Übergang zur Kirche öffnen.
In Fortsetzung der Reihe „Des Kaisers Spuren. Wilhelm II. im Schloss Bad Homburg“ wird die Erlöserkirche im Jahr 2019 zu einem gesonderten Thema gemacht.
Zur Person:
Nils Wetter war von 2007-2009 Volontär bei der hessischen Schlösserverwaltung und ging im Anschluss als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die Universität Bamberg. Er war im Institut für Archäologie, Denkmalpflege und Kunstgeschichte beschäftigt, wo er diverse Forschungsprojekte betreute und eine Promotion zur Baugeschichte des Bad Homburger Schlosses begann. 2013 kehrte er in die Schlösserverwaltung zurück und ist dort im Fachgebiet Bauangelegenheiten und Denkmalpflege unter anderem für die Baumaßnahmen am Schloss zuständig.