Geschichte
Schloss Erbach ist eine begehbare Wunderkammer. Es ist ein Ort, an dem Besuchende in den glücklichen und aufregenden Umstand eintreten, die Fülle kaum erfassen zu können. Um nur die Spitzen der Schätze zu nennen: Antike Marmorbildwerke und Vasen, Rüstungen in einem eigens gebauten Rittersaal, Waffen, Geweihe, herausragende niederländische Gemälde, ein farbenprächtiger spätgotischer Altar, Münzen, und – in einem Schlossflügel als „Deutsches Elfenbeinmuseum“ vereint – Schönheiten der Schnitzkunst aus „weißem Gold“.
In dem Museumsschloss ist nicht nur jedes einzelne Objekt im
jeweiligen Sammlungsbereich von großem kulturhistorischen Wert. Das
ganze, über die Zeiten kaum veränderte Ensemble ist zugleich als eigenes
Kunstwerk zu betrachten, wie es nur wenig Vergleichbares gibt. Dass so
viel unter einem Dach zusammenkam, liegt nicht nur, doch zum größten
Teil an einem besonderen Vertreter des Erbacher Grafengeschlechts: Franz
I. (1754-1823). Bevor er 1775 in der Epoche der Aufklärung eine
wohltätige Regentschaft antrat, hatte er sich als junger Mann im Ausland
mit Studien und sechs Jahre währenden Reisen gebildet. Er hegte eine
große Neigung zu Altertümern und pflegte sie im Kontakt mit den Größen
seiner Zeit. In der Folge sammelte Franz I. zu Erbach-Erbach eine
unglaubliche Anzahl von Objekten – und besuchte dafür noch ein zweites
Mal das Sehnsuchtsland Italien. Anschließend, mit dem Sinn eines
forschenden Pioniers ging der Graf an die gewissenhafte Bewahrung dieser
Altertümer heran.
Akribisch sichtete er, nahm auf,
zeichnete, bestimmte, verglich und ordnete ein. Mit dieser Triebkraft
sollte er sich auch um die Überreste der römischen Militärarchitektur am
Odenwald-Limes kümmern. Wer einen Rundgang in dem über 800 Jahre
gewachsenen Schloss unternimmt, durchstreift drei authentisch erhaltene
Räume. Er nannte sie „meine Wohnzimmer“ und beherbergte dort die größte
private Antiken-Sammlung, die sich bis heute diesseits der Alpen
erhalten hat: Es geht vorbei an Büsten und Statuen römischer Herrscher
und darinnen liegt ein „Etruskisches Kabinett“, das einen Querschnitt
damals bekannter antiker Vasenkeramik bietet. Auch Beschreibungen dieser
Kostbarkeiten hinterließ Franz I. in illuminierten Prachtkatalogen, aus
denen seine Ideenwelt deutlich hervortritt. Das Vergnügen des Grafen
war aber nicht nur eigennützig, sondern stand im Einklang mit
öffentlicher Kunst- und Wirtschaftsförderung.
Durch seine Liebhaberei für das Drechseln von Elfenbein stiftete er sogar einen florierenden Handwerkszweig und sorgte dafür, dass sich der Odenwald mit Europa vernetzte. Im ehrenden Andenken an ihn zeigt das 2016 im Erbacher Schloss neu eröffnete Deutsche Elfenbeinmuseum in modern gestalteten Vitrinen Werke aus drei Jahrhunderten. Angegliedert ist die Museumswerkstatt. Im Einklang mit dem Artenschutz werden heute nur alternative Materialien wie Taguanuss, Bein (Rinderknochen) und fossiles Mammut-Elfenbein zu Schmuckunikaten und Kunstwerken verarbeitet.