Geschichte

Das UNESCO Welterbe Kloster Lorsch – auf halbem Weg zwischen Darmstadt und Worms – ist ein Ort geballter Kulturgeschichte. Von dieser Stätte führen Spuren in eine wechselvolle Vergangenheit zurück, die Benediktiner, Zisterzienser, Prämonstratenser, und nach der Aufhebung des Klosters noch viele andere gestaltete. Der Höhepunkt liegt zweifellos im Frühmittelalter um 800, als sich Lorsch mit dem fränkischen König und Kaiser Karl dem Großen († 814) sowie dessen Nachfolgern aus der Karolinger-Dynastie verband. 774 war der Herrscher eines expandierenden Großreiches, das politische und kulturelle Grundlagen Europas legte, sogar leibhaftig vor Ort. Karl machte das mit den Reliquien des Heiligen Nazarius gesegnete Lorsch zum Reichskloster, damit zum Agenten seiner Politik, einer Kirchenreform und von Bildungsprogrammen. Es wurde reich und mächtig.

Kloster Lorsch mit Torhalle und Kirchenfragment

Klein, aber weltberühmt: Die Torhalle des Klosters Lorsch. Dahinter das Fragment der Klosterkirche.

Foto: Michael Leukel, 2019

Die Torhalle ist einzigartig

Das Frankenreich setzte sich in die Nachfolge des römischen Imperiums. Die berühmte Torhalle, eines von nur drei verbliebenen Bauten im Areal, spiegelt dies mit Bezügen zur Antike im Bauschmuck. Sie ist das am besten erhaltene karolingische Bauwerk nördlich der Alpen. Die anderen Relikte sind das Fragment einer Basilika, die einmal ein „Wunder an Pracht und Schönheit“ war, und zwei Drittel der Klostermauer. Zusammen trugen sie Lorsch vor 30 Jahren den Welterbe-Status ein. Leider ging viel verloren und trotz bildlicher Darstellungen und der Bodenfunde ist der Komplex nicht sicher zu rekonstruieren. Bundesinvestitionsmittel für Welterbestätten halfen der Vorstellung auf die Sprünge: 2010-2014 wurde das Klostergelände neu gestaltet.

Kloster Lorsch, Kirchenfragment

Zu ihren besten Zeiten war die zentrale Klosterkirche über hundert Meter lang

Foto: Michael Leukel, 2019

Kloster Lorsch, Stufen der neuen Geländegestaltung

Wie Abdrücke („Footprints“) markieren Vertiefungen im Gelände die einst vorhandenen Gebäudekörper

Foto: Hanns Joosten, 2014

Kloster Lorsch, Reste der Klostermauer

Die Mauer ist das größte Bauwerk, das die Klosterzeit Lorschs überdauert hat.

Foto: Hanns Joosten, 2014

Mehrfache Auszeichnungen für die grüne Überformung des Klosterhügels

Die bekannten Gebäudekörper drücken sich als „footprints“ (Fußabdrücke) in eine grüne Rasenfläche. Doch die archäologische Fundschicht ist durch diesen Eingriff nicht gestört. Rund um die Abdrücke wurde Erde aufgeschüttet. Wie bei einer mit Samt ausgeschlagenen Münzschatulle werden die Dimensionen der einstigen Baukörper im Gelände und die besondere Aura des Ortes erfahrbar. Die Gestaltung von Topotek1 wurde mit dem Deutschen Landschaftsarchitekturpreis des Bundes Deutscher Landschaftsarchitekten 2015 und dem Europäischen Gartenpreis 2016 des European Garden Heritage Networks ausgezeichnet.

Kloster Lorsch, Kräutergarten

Im Kräutergarten wird nachgepflanzt, was die älteste medizinische Handschrift das Lorscher Arzneibuch für die Heilkunst empfahl.

Foto: Hanns Joosten, 2014

Kloster Lorsch, Torhalle

Aufsicht auf die Rückseite der Torhalle: Rechts daneben liegt das Museumszentrum.

Foto: Hanns Joosten, 2014

Kloster Lorsch, Sarkophag

Dieser Sarkophag soll den Leichnam eines Enkels von Karl dem Großen, König Ludwig der Deutsche, geborgen haben.

Foto: Michael Leukel, 2018

Innovative Vermittlung des Mittelalters zählt viel in Lorsch. Für die Besucher:innen hält es ein vielseitiges Museumszentrum, einen Kräutergarten und mit der Zehntscheune ein Schaudepot für Bauskulptur bereit. Es gibt Ausstellungen, Führungen und Mitmachprogramme.

Erfahren vor Ort, studieren digital

Auch digital lässt sich dem einstigen Macht-, Geistigkeits- und Wissenschaftszentrum nachspüren: So führt die „Bibliotheca Laureshamensis“ die große, aber zerstreute Bibliothek des Klosters virtuell wieder zusammen. Einer ihrer Schätze ist das ebenfalls mit UNESCO-Siegel versehene Lorscher Arzneibuch: Die älteste medizinische Handschrift verbreitete erstmals, dass Heilkunst nicht Gottes Plan stört, sondern ein Akt der Nächstenliebe ist. Die erwähnten Pflanzen sind im Heilpflanzengarten in echt zu bewundern.

Ein Magnet für das Publikum ist auch das 2014 neu geschaffene Experimentalarchäologische Freilichtlabor Lauresham. Es ist das gebaute Idealmodell eines karolingerzeitlichen Herrenhofes mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden sowie dazugehörigen Gärten, Wiesen, Weiden und Feldern. Dort führt man anschaulich vor, wie sich das alltägliche Leben der Menschen vor rund 1.200 Jahren anfühlte.

Experimentalarchäologie

Gleichzeitig ist es Wirkstätte für Wissenschaftler:innen eines Spezialgebiets: Mit Experimenten befragen sie die Vergangenheit und (re)konstruieren sie. Manche gefundene Antwort, etwa zu frühmittelalterlicher Landwirtschaft und Viehhaltung, reicht selbst in eine bessere ökologische Zukunft hinein. Mit einem in Lauresham gestarteten Züchtungsprojekt, das Rinder möglichst nahe an den ausgestorbenen Auerochsen zurückführt, fördert Lauresham durch extensive Beweidung mit diesen Tieren zudem die Artenvielfalt. So liefert das Freilichtlabor einen aktiven Beitrag zum Naturschutz.


Schaudepot Zehntscheune

Kloster Lorsch, Sarkophag

Er ist das wohl wertvollste Stück im Schaudepot: der mit Pilastern verzierte Steinsarkophag - vermutlich des ostfränkischen Königs Ludwig der Fromme.

Foto: Michael Leukel, 2018