Geschichte
Das UNESCO Welterbe Kloster Lorsch – auf halbem Weg zwischen Darmstadt und Worms – ist ein Ort geballter Kulturgeschichte. Von dieser Stätte führen Spuren in eine wechselvolle Vergangenheit zurück, die Benediktiner, Zisterzienser, Prämonstratenser, und nach der Aufhebung des Klosters noch viele andere gestaltete. Der Höhepunkt liegt zweifellos im Frühmittelalter um 800, als sich Lorsch mit dem fränkischen König und Kaiser Karl dem Großen († 814) sowie dessen Nachfolgern aus der Karolinger-Dynastie verband. 774 war der Herrscher eines expandierenden Großreiches, das politische und kulturelle Grundlagen Europas legte, sogar leibhaftig vor Ort. Karl machte das mit den Reliquien des Heiligen Nazarius gesegnete Lorsch zum Reichskloster, damit zum Agenten seiner Politik, einer Kirchenreform und von Bildungsprogrammen. Es wurde reich und mächtig.
Die Torhalle ist einzigartig
Das Frankenreich setzte sich in die Nachfolge des römischen Imperiums. Die berühmte Torhalle, eines von nur drei verbliebenen Bauten im Areal, spiegelt dies mit Bezügen zur Antike im Bauschmuck. Sie ist das am besten erhaltene karolingische Bauwerk nördlich der Alpen. Die anderen Relikte sind das Fragment einer Basilika, die einmal ein „Wunder an Pracht und Schönheit“ war, und zwei Drittel der Klostermauer. Zusammen trugen sie Lorsch vor 30 Jahren den Welterbe-Status ein. Leider ging viel verloren und trotz bildlicher Darstellungen und der Bodenfunde ist der Komplex nicht sicher zu rekonstruieren. Bundesinvestitionsmittel für Welterbestätten halfen der Vorstellung auf die Sprünge: 2010-2014 wurde das Klostergelände neu gestaltet.
Mehrfache Auszeichnungen für die grüne Überformung des Klosterhügels
Die bekannten Gebäudekörper drücken sich als „footprints“ (Fußabdrücke) in eine grüne Rasenfläche. Doch die archäologische Fundschicht ist durch diesen Eingriff nicht gestört. Rund um die Abdrücke wurde Erde aufgeschüttet. Wie bei einer mit Samt ausgeschlagenen Münzschatulle werden die Dimensionen der einstigen Baukörper im Gelände und die besondere Aura des Ortes erfahrbar. Die Gestaltung von Topotek1 wurde mit dem Deutschen Landschaftsarchitekturpreis des Bundes Deutscher Landschaftsarchitekten 2015 und dem Europäischen Gartenpreis 2016 des European Garden Heritage Networks ausgezeichnet.
Innovative Vermittlung des Mittelalters zählt viel in Lorsch. Für die Besucher:innen hält es ein vielseitiges Museumszentrum, einen Kräutergarten und mit der Zehntscheune ein Schaudepot für Bauskulptur bereit. Es gibt Ausstellungen, Führungen und Mitmachprogramme.
Erfahren vor Ort, studieren digital
Auch digital lässt sich dem einstigen Macht-, Geistigkeits- und Wissenschaftszentrum nachspüren: So führt die „Bibliotheca Laureshamensis“ die große, aber zerstreute Bibliothek des Klosters virtuell wieder zusammen. Einer ihrer Schätze ist das ebenfalls mit UNESCO-Siegel versehene Lorscher Arzneibuch: Die älteste medizinische Handschrift verbreitete erstmals, dass Heilkunst nicht Gottes Plan stört, sondern ein Akt der Nächstenliebe ist. Die erwähnten Pflanzen sind im Heilpflanzengarten in echt zu bewundern.
Ein Magnet für das Publikum ist auch das 2014 neu geschaffene Experimentalarchäologische Freilichtlabor Lauresham. Es ist das gebaute Idealmodell eines karolingerzeitlichen Herrenhofes mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden sowie dazugehörigen Gärten, Wiesen, Weiden und Feldern. Dort führt man anschaulich vor, wie sich das alltägliche Leben der Menschen vor rund 1.200 Jahren anfühlte.
Experimentalarchäologie
Gleichzeitig ist es Wirkstätte für Wissenschaftler:innen eines Spezialgebiets: Mit Experimenten befragen sie die Vergangenheit und (re)konstruieren sie. Manche gefundene Antwort, etwa zu frühmittelalterlicher Landwirtschaft und Viehhaltung, reicht selbst in eine bessere ökologische Zukunft hinein. Mit einem in Lauresham gestarteten Züchtungsprojekt, das Rinder möglichst nahe an den ausgestorbenen Auerochsen zurückführt, fördert Lauresham durch extensive Beweidung mit diesen Tieren zudem die Artenvielfalt. So liefert das Freilichtlabor einen aktiven Beitrag zum Naturschutz.