Geschichte
Heilung und Amusement
Beglückt schloss ein Reisender 1785 im „Teutschen Merkur“ seinen Bericht über das Wilhelmsbad bei Hanau ab: „Wem es hier nicht behaget, der muss wahrlich sehr krank seyn.“ Es gebe Heilung, Bequemlichkeiten, Vergnügungen und dann noch die Natur, die alles übertreffe. Dass die Reize des beliebten Kurbades außerordentlich waren, dafür hatte kein Geschäftsmann gesorgt, sondern Wilhelm IX. (1743-1821), Erbprinz und später Graf zu Hanau. Er war in das „Wellness-Business“ eingestiegen, nachdem man vor Ort in einem Steinbruch mineralhaltige Heilquellen entdeckt hatte. Zusammen mit dem Ingenieur Franz Ludwig Cancrin realisierte er von 1777 an Gebäude in spätbarockem Stil. Sie wurden in einer langen Achse an einer Promenade aufgereiht, mitten in einem zeitgleich entstehenden Landschaftspark von 28,9 Hektar Fläche.
Wellness für Körper und Geist
Dort erfand der Landesherr eine frühe Form ganzheitlicher Erholung. Trink- und Bäderkuren sollten Gebrechen wie „Eingeweidewürmer“, „Bleichsucht“ und „Geschwulst des ganzen Leibes“ vertreiben. Bewegung verschafften sich die Gäste in dem nach englischer Gartenkunst gestalteten Park und jeder Gang stimulierte Empfindungen. Gewundene Pfade im hügeligen Gelände führen zu diversen Szenen, an Aussichtspunkte und zu Zierbauten: darunter eine Grotte, eine Einsiedelei, eine schwankende „Teufelsbrücke“, die in ein dunkles Boskett führt, ein Schneckenberg und eine Pyramide als Grabdenkmal. Weitere Zerstreuung boten damals ein Schießstand, ein Heckentheater oder das Casino. Sie sind nicht erhalten, jedoch das noch immer bespielte Comoedienhaus und das tageweise fahrende Karussell. Es gilt als ältestes feststehendes der Welt und ist eine Attraktion.
Internationales Publikum
Der Fürst fand in seiner Stiftung „meinen Juwel und Lieblingsort“. Wenn er da war, mischte er sich unter das Volk. Hanauer und Frankfurter kamen in Scharen, auch internationales, sogar gekröntes Publikum reiste an. Es soll ein „wunderbares Gemische von Menschen aus Noblesse und Bürgertum, Christen und Juden, alt und jung“ gegeben haben, warben die „Briefe eines Schweizers über das Wilhelmsbad bei Hanau“ (1780), die der Aufklärer Freiherr Adolph von Knigge verfasste. Für Wilhelm war der schönste Platz eine Kunstruine auf einer Insel im Braubach, wo er privates Glück abseits des Hofes suchte. Außen täuscht sie Verfall vor, innen entfaltet sie Pracht. Damals wie heute bestaunen Besuchende die Illusion des pseudomittelalterlichen Wohnturms, der der erste dieser Art in Deutschland ist.
Der Niedergang des Wilhelmsbades war eingeläutet, nachdem sein Schöpfer als neuer Landgraf von Hessen-Kassel die Gegend Richtung Norden verließ. Um 1815 versiegte im Wilhelmsbad die ohnehin dürftige Quelle. Der Betrieb kam zum Erliegen, und die Anlage wurde im 19. Jahrhundert kaum modernisiert. Dies war von Vorteil: Auf diese Weise blieben der frühe Landschaftsgarten und die Relikte der Bäderkultur authentisch erhalten.