Geschichte
In Rüdesheim am Rhein, an einem herrlichen Aussichtspunkt, steht eine „preußische Madonna“. Der Spitzname entstand im Rheingau für die „Germania“, das kolossale Standbild des Niederwalddenkmals. In der Tat führt ein Ausflug zu ihr in eine Zeit zurück, die maßgeblich unter Preußens Regie zustande kam. Malerisch am Eingang zum UNESCO Welterbe Oberes Mittelrheintal gelegen erinnert das Monument an die Gründung des Deutschen Kaiserreiches nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Damals wurden 25 Einzelstaaten in einer Nation zusammengeführt und Germania verkörpert sie: Die Krone erhoben und ihr Schwert friedvoll gesenkt, schaut sie in Richtung des neuen Staatsgebildes, hält die „Wacht am Rhein“.
Ein bautechnisches Wunderwerk, 38 Meter hoch
Politische Rheinromantik und nationaler Zeitgeist hatten den Ausschlag für den Standort des über 38 Meter hohen bautechnischen Wunderwerks gegeben. In gut sechs Jahren entstand es zwischen 1877 und 1883 nach den Plänen des Bildhauers Johannes Schilling (1828-1910) und des Architekten Karl Weißbach (1841-1905).

Das Relief "Der Abschied"
Foto: Michael Leukel, 2018
Die inhaltlichen Botschaften des damaligen Staatsauftrags Nr. 1 unterstreichen Preußens Führung und verbinden das Neue mit dem Alten. Die bronzene Statue, ihr Thron, sämtliche Attribute, allegorische Skulpturen, Reliefs, Inschriften und Wappen erzählen von Krieg und Frieden, der Bildung eines Staates und einer Kaiserwürde, die angeblich erneuert wurde.
Bildkünstlerische Reichspropaganda
Im Sinne von Propaganda überwölbte man das Denkmal mit einer nationalistischen Legende: Eine Sockelinschrift mit den Worten „Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches“ stellt die junge konstitutionelle Monarchie unzutreffend in das Erbe des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, das 1806 als Folge der Napoleonischen Kriege erloschen war.