75-jähriges Jubiläum: Die Niederwaldkonferenz

Das Jagdschloss Niederwald ist im Jahr 1948 Schauplatz der sogenannten Niederwaldkonferenz. In drei Sitzungsperioden tagen die elf westdeutschen Ministerpräsidenten und weitere politische Akteure im Grünen Salon, um sich hinsichtlich der von den Westmächten geforderten Gründung eines Weststaates einig zu werden. Dabei werden die Grundstrukturen für das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland erarbeitet.

Im April 2023 erwerben die Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen eine Mappe, welche als Tischvorlage zu einer der Sitzungen der Niederwaldkonferenz dient. Diese enthält neben Textauszügen zum Niederwald eine Teilnehmerliste zu der Sitzung am 21. Juli 1948.

Teilnehmerliste Seite 1

Teilnehmerliste der Konferenz der Ministerpräsidenten der drei Westzonen am 21. Juli 1948 in Jagdschloss Niederwald (Seite 1)

Foto: Sandra Becker

Teilnehmerliste Seite 2

Teilnehmerliste der Konferenz der Ministerpräsidenten der drei Westzonen am 21. Juli 1948 in Jagdschloss Niederwald (Seite 2)

Foto: Sandra Becker

Die Mappe

Die Mappe

Foto: Sandra Becker

„Im Jagdschloss Niederwald haben Menschen, die in KZs die Diktatur des Nationalsozialismus überlebt hatten, zentrale Beiträge für das demokratische Fundament des zukünftigen Deutschlands entwickelt. Ein Ort des demokratischen Aufbruchs und der gesellschaftlichen Verantwortung.“

Dr. Katharina Bechler, Leiterin des Fachgebiets Museen bei den Staatlichen Schlössern und Gärten Hessen

Auf dem Weg zum Grundgesetz

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs beschließen die alliierten Siegermächte die Neuordnung und Demokratisierung Deutschlands. Die Westmächte fordern die elf westdeutschen Ministerpräsidenten nach Ausbruch des Kalten Krieges auf, einen Weststaat zu gründen sowie eine Verfassung auszuarbeiten. Die Forderung stößt bei den Ministerpräsidenten auf Widerstand, da sie befürchten, die deutsche Teilung werde dadurch weiter vertieft.

Um sich hinsichtlich des deutschen Standpunktes zu einigen, findet im Sommer 1948 die Niederwaldkonferenz statt. In der zweiten und für die Position der Ministerpräsidenten entscheidenden Sitzung, die sich am 21. Juli 2023 zum 75. Mal jährt hat, legen sie fest, den Forderungen der alliierten Westmächte nur unter bestimmten Bedingungen nachzukommen. Am 26. Juli 1948 einigen sich Ministerpräsidenten und Militärgouverneure in Frankfurt darauf, einen demokratischen Westdeutschen Teilstaat zu gründen sowie - um eine mögliche Wiedervereinigung Deutschlands nicht auszuschließen - einen Parlamentarischen Rat einzuberufen, der ein Grundgesetz als provisorische Verfassung formuliert.

Diese Ergebnisse werden in der Abschlusssitzung der Niederwaldkonferenz im Jagdschloss am 31. August 1948 zusammengefasst.

Der Grüne Salon

Historische Aufnahme des Grünen Salons

Foto: Hermann Trabert, aus: "Das Jagdschloss Niederwald und die deutsche Nachkriegsgeschichte", in: Rheingau-Forum, 4 / 1998)

Peter Altmeier Karl Arnold Christian Stock

Peter Altmeier (Ministerpräsident Rheinland-Pfalz), Karl Arnold (Ministerpräsident Nordrhein-Westfahlen) und Christian Stock Ministerpräsident Hessen) waren an der Niederwaldkonferenz beteiligt

Foto: Hessisches Hauptstaatsarchiv

Am 1. September 1948 nimmt der Parlamentarische Rat letztlich seine Arbeit auf. Ein Jahr später, im Mai 1949 wird das Grundgesetz beschlossen, verkündet und unterzeichnet und die Bundesrepublik Deutschland damit gegründet.

Nach der Wiedervereinigung Ost- und Westdeutschlands tritt am 3. Oktober 1990 die Deutsche Demokratische Republik dem Grundgesetz bei. Am 4. Oktober 1990 tagt im Berliner Reichstagsgebäude zum ersten Mal ein gesamtdeutscher Bundestag.

Das Jagdschloss Niederwald

Über dem Rheintal thront ein im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts angelegter Zierwald. Natur und Schmuckarchitekturen verbunden mit Sichtachsen und Aussichtspunkten werden hier zu einem einmaligen Gartendenkmal vereint. Graf Johann Friedrich Karl Maximilian Amor Maria von Ostein (1735-1809) erbt im Jahr 1763 das 304 Hektar große Gebiet zwischen Rüdesheim am Rhein und Assmannshausen. Er lässt hier seine Sommerresidenz errichten (heute steht an der Stelle das Jagdschloss Niederwald) und über die nächsten Jahrzehnte einen vielfältigen Parkwald anlegen. Diesen gestaltet er nach dem Prinzip englischer Landschaftsgärten, wo Pflanzen sich in ihrem Wuchs frei entfalten und Gehölze wild wachsen können.

Unmittelbar nach der Erbschaft lässt Johann Friedrich Karl Maximilian Graf von Ostein zwischen 1764 und 1766 das sogenannte Herrschaftliche Haus als Sommersitz bauen. Der nach Plänen von Anton Süß gebaute Komplex wird nach und nach erweitert und ausgeschmückt. Dazu gehören eine Kapelle sowie Forst-, und Landwirtschaftsgebäude, Wohnbereiche für Bedienstete und ein Wirtshaus.

Nach dem Tod des Grafen 1809 und wechselnden Besitzverhältnissen gelangt der Niederwald 1853 wieder in staatlichen Besitz und geht schließlich 1866 an das Königreich Preußen über. Der “Neue Hof” bildet stets den Mittelpunkt des Niederwalds und wird nun als Jagdschloss bezeichnet.

Im Jahr 1925 zerstört ein Feuer die Gebäude - woraufhin erneut ein staatliches Hotel errichtet wird: Das heutige Jagdschloss Niederwald mit Hotel- und Gastronomiebetrieb.

Historische Aufnahme des Jagdschloss Niederwald aus der Vorkriegszeit

Historische Aufnahme aus der Vorkriegszeit

Jagdschloss Niederwald

Aktuelle Aufnahme des Jagdschloss Niederwald

Foto: Sandra Becker

Präsentation zur Demokratiegeschichte im Jagdschloss Niederwald

Anlässlich des 75. Jahrestages der Sitzung zwischen den deutschen Ministerpräsidenten präsentieren die Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen seit Juli 2023 im Jagdschloss Niederwald eine kleine Ausstellung, die sich der Niederwaldkonferenz und der deutschen Demokratiegeschichte widmet.

Bevor die Präsentation in den kommenden Wochen ihren festen Platz im Entreebereich finden wird, erfolgte für die Eröffnung zunächst eine Platzierung im Grünen Salon. Da der Raum teilweise für Veranstaltungen vermietet wird, ist es ratsam, vor einem Besuch im Jagdschloss anzurufen: 06722 – 71 06 0