Schloss Erbach inszeniert Luxusprodukte der Frankenthaler Porzellanmanufaktur im gräflichen Ambiente
Am Sonntag, 1. Mai 2022, war Vernissage: Die reich ausgestatteten Schauräume des Erbacher Schlosses bilden in den kommenden Monaten eine Bühne für rund 300 Spitzenprodukte aus Porzellan. Eine günstige Gelegenheit hat sich ergeben, einen Teil der Sammlung des Erkenbert-Museums in Frankenthal bei Mannheim und einige andere Leihgaben aus verschiedenen Sammlungen in den Odenwald zu holen und in neuem Ambiente zu präsentieren: Am 1. Mai 2022 eröffnet die Betriebsgesellschaft Schloss Erbach in Zusammenarbeit mit den Schlössern und Gärten Hessen (SG) die Ausstellung “Zu Gast im Schloss. Zerbrechliche Schönheiten der Frankenthaler Porzellanmanufaktur“. Sie wurde kuratiert von Dr. Anja Kalinowski, Wissenschaftliche Leiterin der Gräflichen Sammlungen in Schloss Erbach.
Jeder Raum mit eigenem Thema
Bis zum 6. Januar 2023 sind die Objekte des edlen Kunsthandwerks als Tischdekorationen nach historischen Vorlagen sowie motivisch arrangierte solitäre Figuren oder Figurengruppen zu sehen, die Themen und Moden illustrieren. Die vorwiegend aus der kurpfälzischen Manufaktur stammenden edlen Porzellane treten in den zehn Räumen der Gräflichen Sammlungen auf 600 Quadratmetern mit mittelalterlichen Rüstungen und Waffen, natur- und jagdkundlichen Schätzen und herausragenden Antiken in einen Dialog ein. So bot sich die Hirschgalerie für Jagd- und Tierdarstellungen an, der ehemals als Speisesaal dienliche Oraniersaal präsentiert mit gedecktem Tisch barocke Tafelfreuden und der Grüne Salon mit antiken Vasen beherbergt kurzzeitig Porzellane, die Dichtungen der Mythologie veranschaulichen. Was heute ein Gebrauchsgegenstand von Wert ist, war im 18. Jahrhundert extravaganter Luxus und löste Begeisterung aus
„Weißes Gold“ aus der Zeit der Porzellanbegeisterung
Mit der Erfindung des „weißen Goldes“ im sächsischen Meißen, das das in China und Japan schon jahrhundertelang gefertigte hauchdünne Porzellan nachahmen konnte, verbreitete sich das neue deutsche Hartporzellan auf den Tafeln Adliger und an den Fürstenhöfen. Gewerbliche Großbetriebe wurden gegründet, wie die „Kurfürstliche Manufaktur Frankenthal“ im Jahr 1755, die für einige Jahrzehnte existierte und deren Produkte auch im Residenzschloss von Franz I. zu Erbach-Erbach eingeführt waren. Die Dichterin Helmina von Chézy (1783-1856) schrieb nach einem Besuch im Schloss: „Trat man in den Eßsaal, so leuchtete einem aus allem, was man sah, Gediegenheit und anmaßungslose Zierlichkeit entgegen. Das Tafelservice war der Triumph des Rococostils.“
Der Glanz vergangener Zeiten und die Darstellungskunst der Porzellanschöpfer lässt sich an den vielteiligen Servicen und den Einzelobjekten ablesen. In den Worten der Leiterin des Erkenbert-Museums und Hauptleihgebers, Dr. Maria Lucia Weigel, vermitteln sie "eine Vision von Luxus und Lebensfreude des 18. Jahrhunderts" (siehe Rede unten). Zu den Höhepunkten zählen die Skulpturengruppe „Apoll mit den vier Elementen“, das den mythologischen Lichtgott umgeben von den Allegorien des Feuers, der Erde, des Wassers und der Luft zeigt, eine Coiffeur-Szene mit hochgetürmter Barock-Perücke oder Chinoiserien mit zarten Landschaftsszenerien auf Tellern und Tassen. Die weißen oder farbig gebrannten und glasierten Porzellane geben auch Beispiele von höfischen Idealisierungen der damals niederen Berufsstände wie Magd, Fischverkäufer, Schäferin oder Bauer und sie setzen häusliche Momente der Adelswelt ins Bild.

© Staatliche Schlösser und Gärten Hessen, Grafik: Regina Hauber
Schauräume ermöglichen Inszenierung höfischer Lebenskultur
„Die Frankenthaler Porzellanerzeugnisse werden in der Beletage unseres Schlosses auf Tischen eingedeckt und auf Möbeln und in Vitrinen zur Schau gestellt. So können wir schildern, wo und in welcher Weise Porzellan früher genutzt wurde“, sagt die Kuratorin Dr. Kalinowski. „Die nahe Betrachtung der kleinteiligen Kunstwerke ist uns sehr erwünscht. Nicht nur sind zerbrechliche Schönheiten zu bewundern. Im Umfeld der vielseitigen Gräflichen Sammlungen entstehen auch neue spannende Bezüge zu unserem eigenen Inventar.“ Im Namen der hessischen Schlösserverwaltung und der Betriebsgesellschaft Schloss Erbach dankte der stellvertretende SG-Direktor Reinhard Kraus allen Leihgeber:innen und Förderern für die Unterstützung. „Unser Dank geht insbesondere an das Erkenbert-Museum in Frankenthal, das uns diese besondere Inszenierung höfischer Lebenskultur im Schloss ermöglicht.“
Ein Begleitband und ein Sonderprogramm für näheres Interesse
Zur Ausstellung ist ein auf 116 Seiten reich bebilderter Begleitband erschienen, der zum Preis von 17,95 € im Shop des Schlosses zu beziehen ist. Ein Extra-Programm zur Ausstellung sieht neben den an Erwachsene gerichteten regelmäßigen und den zusätzlichen Sonderführungen mit der Kuratorin am 2. Juni und am 29. September 2022 auch Mitmachführungen für kleine Besucher:innen vor. Es sind Vorträge der Restauratorin Heidrun Narbeshuber am 18. Mai 2022 zur Bewahrung von Porzellan und Keramik sowie von der Leiterin des Erkenbert-Museums, Dr. Maria Lucia Weigel, geplant, die am 6. Juli 2022 über den sanierungsbedingten Auszug des Museums und aufregende Umstände berichten wird.
Besuchszeiten und Führungen
Schloss Erbach bietet außerdem spezielle Workshops für Groß und Klein zu Tischmanieren in Anlehnung an die Benimmregeln des Schriftstellers und Aufklärers Adolph Freiherr Knigge (1752-1796) an, es präsentiert stilvolle Tischdekorationen und führt in das Bemalen von Porzellan ein. Es ist auch ein Künstlergespräch angesetzt, denn die Ausstellung wartet zusätzlich mit dem Keramikensemble „Der gedeckte Tisch“ von Joachim Henkel auf, der sich am 15. Mai 2022 den Fragen des Publikums stellt.
Führungen: Mo-Fr 11:00, 12:00, 14:00, 15:00 und 16:00 Uhr; Sa, So und an Feiertagen individueller Besuch von 11:00–17:00 Uhr (keine Barrierefreiheit); Gruppenführungen nach vorheriger Anmeldung mit Kontaktformular unter www.schloss-erbach.de oder Tel. +49 (0) 6062 809 360.