Feierstunde mit Staatsministerin Angela Dorn zum Jubiläum der UNESCO Welterbestätte Kloster Lorsch
Mit der Hessischen Wissenschafts- und Kunstministerin Angela Dorn und vielen Gästen haben die Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen (SG) am Montagabend Kloster Lorschs 30jähriges Jubiläum gefeiert. 1991 hatten die Vereinten Nationen der Anlage mit ihrer berühmten, sogenannten Torhalle aus dem Frühmittelalter als erstes hessisches Denkmal überhaupt und als zehntes deutsches den Titel eines Kulturerbes der Menschheit verliehen. Eingeschlossen sind darin die Grundmauern der ersten Lorscher Niederlassung von Benediktinermönchen, des Altenmünsters, einig hundert Meter entfernt.
Sehr wenige Gebäude und die Reste einer Umfassungsmauer künden noch von der ehemals großen und mächtigen Klosteranlage, die in den Tagen karolingischer Herrscher gegründet worden war und zum königlichen Reichskloster aufsteigen sollte. Aus diesem Grund hatte die hessische Schlösserverwaltung im damaligen Aufnahmeantrag nicht nur den Erhalt der materiellen Reste, sondern auch die immaterielle Bedeutung geltend gemacht: Lorsch ist mit der Torhalle, deren Funktion noch immer ungeklärt ist, nicht nur ein seltenes Beispiel vorromanischer Baukunst. Es ist auch ein Wahrzeichen der reichen mitteleuropäischen Klosterkultur.
Die auf dem grünen Klosterhügel open air abgehaltene Feier war aufgrund der Corona-Pandemie um sechs Monate verschoben worden. Stichtag war der 13. Dezember 2021. Sämtliche Redner:innen waren sich darin einig, welche Renaissance Kloster Lorsch als vormals beinahe aufgegebener Ort in den Jahrzehnten seit der Vergabe des Welterbe-Status‘ erlebt habe. Seitdem entwickelte sich die Stätte zu einem attraktiven Ausflugs- und Lernort, der Maßstäbe für Welterbe-Pädagogik setzte.
Eine besondere Aufwertung und große topographische Veränderung erfuhr sie von 2010-2014 mit einem Investitionsprogramm von Bund, Land und der Stadt Lorsch: Eine landschaftliche Neugestaltung machte verlorene Klosterbauten im Areal durch eingetiefte „footprints“ im Boden sichtbar. Der heute weit verstreute Bücherschatz aus der Lorscher Klosterbibliothek wurde digitalisiert und auf einer Plattform online gestellt. Zudem erweiterte man Lorsch um „Lauresham“, das 1:1-Modell eines frühmittelalterlichen Dorfes als experimentalarchäologisches Freilichtlabor.
„An keinem anderen Ort in Europa ist die karolingische Zeit so erlebbar wie in Kloster Lorsch“, sagte Dorn in ihrer Ansprache und schloss Lauresham und die lebendige Vermittlung des Lebens im Frühmittelalter mit ein. Sie rühmte außerdem den in Kloster Lorsch gepflegten intellektuellen Tansfer des Wissens aus der Antike. 300 Lorscher Handschriften sind heute als Zeugnisse der Schriftkultur erhalten. Dazu zählt das in der virtuellen „Bibliotheca Laureshamensis“ präsentierte Lorscher Arzneibuch, welches um 800 verfasst wurde und als Meilenstein in der Medizinigeschichte seinerseits zum UNESCO Welterbe erklärt wurde. Darin wurde Krankenpflege erstmals als Akt der Nächstenliebe gerechtfertigt, der Gottes Plan nicht störe.
Der Leiter der Welterbestätte, Dr. Hermann Schefers, die Direktorin der SG, Kirsten Worms, und auch die Festrednerin Prof. Dr. em. Jutta Ströter-Bender machten Lorschs preisgekrönte Welterbe-Pädagogik zum Thema. Typisch für Lorsch ist Wissensvermittlung als Erfahrung und Erlebnis. Besucherinnen und Besucher partizipieren und interagieren bei alters- und zielgruppengerechten Angeboten. Die Zugänge zur Bildung sind „leicht, spielerisch und handlungsorientiert“, so Worms. Die Deutsche UNESCO Kommission hat unter anderem auf Anregung von Kloster Lorsch einen Bildungsauftrag als eigenes Anliegen in der „Hildesheimer Resolution“ von 2006 aufgenommen. So wurde das „Lorscher Modell“ zu einem Pionier der „World Heritage Education“, und nach den Worten von Ströter-Bender ist sie in den Traditionen eines Klosters „mit großer Gastfreundschaft verbunden“.
Schefers betonte: „Welterbestätten sind keine Domäne der Denkmalpflege, der Welterbestatus ist nicht in erster Linie ein touristisches Label und Welterbestätten sind keine Kulissen beliebiger Events, sondern sie haben als authentische Geschichtsorte einen eigenen Bildungsauftrag mit eigenen didaktischen und pädagogischen Zielen.“ Welterbestätten seien Wegweiser zu bedeutenden Kapiteln der Menschheitsgeschichte und Portale zu historischen Epochen. Darüber hinaus sei die friedensstiftende, transkulturelle, interreligiöse und länderübergreifende Welterbe-Idee würdig, in die Lehrpläne von Schulen aufgenommen zu werden.
Lange vor der nachgeholten Feierstunde war eine Ausstellung als Höhepunkt des Welterbe-Jubiläumsjahres eröffnet worden. Sie belegt eindrücklich, dass es nach der karolingischen Epoche des Klosters noch weitere Hoch-Zeiten, nämlich um 950, im 11. Jahrhundert sowie um 1200 gab: „Geschichte schöpfen – Quellen aus einem Brunnen“ in der Zehntscheune wurde von Dr. Katarina Papajanni kuratiert. Sie speist sich aus Fragmenten von Skulpturen und Architektur-Teilen, die aus der Lorscher Nazarius-Basilika stammen, welche auf dem höchsten Punkt des Klosterhügels nur noch als Gebäuderest fortbesteht.
Kunstwerke und Bauzier waren zerschlagen worden, um sie als Bruchmaterial für die Errichtung eines barocken Brunnens zu verwenden. Die vor Jahren entdeckten und teilweise herausgelösten Werkstücke sind äußerst qualitätvolle Steinmetz- und Bildhauerarbeiten. Zwei Skulpturen konnten weitgehend rekonstruiert werden: ein „Tetramorph“ mit Evangelistensymbolen sowie ein „Atzmann“, der als steinerner Pultträger fungierte – beide als Diakone dargestellt. Die von Sabine Gutjahr szenographisch verdichtete Ausstellung ist noch bis Oktober zu sehen. Sie wird eventuell verlängert.