Ein "Freiheitsschwindler" und sein Überfall auf das Fürstentum Nassau-Weilburg - Schloss Weilburg zeigt „Als die Französische Revolution bis nach Weilburg kam. Expedition Custine. Rheinland-Pfalz, Hessen und die gescheiterte Freiheit"

Es war unverschämt, als der „Gast“ nach dem Essen das Familientafelsilber von seinen Schergen einpacken ließ. Doch der bedrängte Fürst Friedrich Wilhelm zu Nassau-Weilburg (1768-1816) musste es 1792 hinnehmen. Der Ruf des französischen Revolutionsgenerals Adam-Philippe Comte de Custine (1740-1793), der sich selbst eingeladen hatte, war zu diesem Zeitpunkt schon ruiniert: Man nannte ihn einen „Freiheitsschwindler“.

Eine Ausstellung, die am Mittwochabend, 22. Juni 2022, in Schloss Weilburg eröffnet, schildert dieses düstere Kapitel nicht nur für das herrschende Haus mit vielen originalen Exponaten: Wie Custine die politischen Ideale der Französischen Revolution von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit verriet, indem er Gewalt, Erpressung, Plünderungen, Brandschatzungen und Geiselnahmen an ihre Stelle treten ließ.

„Als die französische Revolution bis nach Weilburg kam. Expedition Custine – Rheinland-Pfalz, Hessen und die gescheiterte Freiheit 1792/93“ (bis 11. September 2022) ist eine Wanderausstellung, die seit 2017 in den ehemals betroffenen Gebieten tourt. In der Stadt an der Lahn ergänzt sie das Festprogramm für Louise-Isabelle (1772-1827), die die Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen (SG) zu ihrem 250. Geburtstag in Erinnerung rufen.

Die Ehefrau des Fürsten Friedrich Wilhelm war selbst genötigt zu fliehen, um sich und ihren jüngsten Sohn vor marodierenden französischen Truppen in Sicherheit zu bringen. Die Schau markiert das 230. Jahr seit dem Einfall der Franzosen. Sie wurde kuratiert von Dr. Dr. Mark Scheibe, Ehrenvorsitzender der Stiftung Historische Kommission für die Rheinlande 1789-1815, und steht unter der Schirmherrschaft des ehemaligen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und Thüringen, Prof. Dr. Jochen Vogel.

Custine

Joseph-Désiré Court, Adam-Philippe Comte de Custine en uniforme de général en chef de l’armée du Rhin en 1792, 1834, Öl auf Leinwand

© Schloss Versailles / bpk/RMN – Grand Palais, Foto: Christophe Fouin

„Im Herbst 1792 gelangte ein französisches Heer unter General Custine vom Elsaß aus über Mainz bis an die Lahn. Offiziell wurde die Losung der Französischen Revolution ausgegeben und eine neue Gesellschaftsordnung propagiert, doch das Blatt wendete sich im Jahr darauf mit den militärischen Misserfolgen Custines. Er ließ Ämterkassen im Taunus und in der Wetterau plündern, nahm Nonnen und Mönche als Geiseln und drohte in Weilburg und Braunfels mit Brandschatzung“, sagt Kirsten Worms, Direktorin der SG.

„Am 10. November 1792 zogen bis zu 6.000 Mann in Weilburg mit Fackeln und wehenden Trikoloren ein. Sie raubten, was sich an Wert vorfand. Wir sehen diese Ausstellung als besondere Gelegenheit, die Zeit und die Lebensumstände von Louise Isabelle und ihres Mannes schärfer in den Blick zu nehmen.“ Sie seien, so Dr. Katharina Bechler, Leiterin des Fachgebietes Museen der SG zur Eröffnung, "Teil der europäischen Geschichte und als solche wollen wir sie vermitteln". Weilburgs Bürgermeister Dr. Johannes Hanisch schlug einen Bogen zum gegenwärtigen Ukrainekrieg. "Wir nehmen hier die Botschaft mit, dass eine mit niederträchtigen Mitteln durchgesetzte Sache zum Scheitern verurteilt ist."

Über 30 Ausstellungsgegenstände im Informationsraum des Schlosses Weilburg schildern die Historie teilweise drastisch. Größtes Exponat ist eine Guillotine aus dem Jahr 1796 mit einem Beil von vier Metern Fallhöhe. Auch Custine wurde am 28. August 1793 auf einem solchen Schafott enthauptet, was ein Kupferstich mit der Beschriftung „Siehe da Custine. Sein unreines Blut tränke unsre Furchen“ auch festhielt. In einem Tribunal hatte man ihm Versagen vorgeworfen und dass er als Truppenführer eigenmächtig Außenpolitik betrieben habe.

Die Schau führt des Weiteren eine Vielzahl von Exponaten, darunter Alltagsobjekte, Soldatenuniformen, Porträts, Orts- und Gefechtsdarstellungen, Karikaturen, Skulpturen, Münzen, Waffen und andere Militaria, Gebietskrten und den Druck der Custine-Schrift „Aufruf an die gedrückte Menschheit in Deutschland im Namen der Franken-Republik“ zusammen. Sie wird ergänzt durch zwei Sonderführungen am 9. Juli und 11. September 2022 sowie einen Vortrag am 6. September 2022 des Kurators Scheibe. Eine Führung in französischer Sprache hat die Leiterin des Fachgebietes Museen, Dr. Katharina Bechler, für den 28. August 2022 angekündigt.

Custine

Eine Guillotine aus dem Jahr 1796 (mit ersetztem stumpfen Beil) begegnet den Besucher:innen der Ausstellung gleich im Eingang zum Schloss.

© Staatliche Schlösser und Gärten Hessen, Foto: Elisabeth Weymann

Custine

Einer von zwei Befehlshabern, die vor Custine in Weilburg einrückten: der wegen seiner von Narben entstellten Physiognomie und charakterlicher Härte gefürchtete Jean Nicolas Houchart.

© Staatliche Schlösser und Gärten Hessen, Foto: Elisabeth Weymann

Custine

Tafeln in der Ausstellung zeigen französische Soldaten der Revolutionsarmee, die aus dem Elsass bis an die Lahn gekommen waren.

© Staatliche Schlösser und Gärten Hessen, Foto: Elisabeth Weymann

Custine

Als Weilburg überfallen wurde, war die Französische Revolution schon in die Phase der Schreckensherrschaft mit Massentötungen übergegangen - La Terreur: Barbierschale mit einer Darstellung der Hinrichtung von König Ludwig XVI.

© Staatliche Schlösser und Gärten Hessen, Foto: Elisabeth Weymann

Custine

Nachgeschneiderte Uniform der französischen Garde nationale des Jahres 1793.

© Staatliche Schlösser und Gärten Hessen, Foto: Elisabeth Weymann

Custine

SG-Direktorin Kirsten Worms und Weilburgs Bürgermeister Dr. Johannes Hanisch beim Rundgang durch die Ausstellung.

© Staatliche Schlösser und Gärten Hessen, Foto: Elisabeth Weymann

Custine

Schuhe wurden, wie alle Kleidungsstücke, getragen, bis sie unbrauchbar waren. In einer Vitrine Holzpantinen für einfache Soldaten und Lederschuhe für höhere militärische Ränge.

© Staatliche Schlösser und Gärten Hessen, Foto: Elisabeth Weymann

Custine

Zerschlissene Soldaten-Kleidung, die aussieht, als wäre sie gerade erst ausgezogen worden.

© Staatliche Schlösser und Gärten Hessen, Foto: Elisabeth Weymann

Custine

Eine Proklamation der Franzosen, die sich an "Freygewordene deutsche Bürger" zwischen Landau, der Mosel und dem Rhein richtete, um Volkswahlen im Sinne Frankreichs vorzubereiten.

© Staatliche Schlösser und Gärten Hessen, Foto: Elisabeth Weymann

Custine

Dr. Katharina Bechler erinnerte daran, in welch' schamloser Weise Custine das Tafelsilber aus dem Schloss mitnahm und für den unauffälligen Transport einzeln in Brote einbacken ließ.

© Staatliche Schlösser und Gärten Hessen, Foto: Elisabeth Weymann

Custine

Im Glaskasten unter anderem ein Standardgewehr der französischen Infanterie.

© Staatliche Schlösser und Gärten Hessen, Foto: Elisabeth Weymann

Custine

War aktiv daran beteiligt, die Wanderausstellung nach Weilburg zu bringen: die Museumspädagogin Annette Feith-Krämer.

© Staatliche Schlösser und Gärten Hessen, Foto: Elisabeth Weymann

Custine

Eine Trommel, die auf circa 1790 datiert wird, zwei Jahre vor der Expedition Custine.

© Staatliche Schlösser und Gärten Hessen, Foto: Elisabeth Weymann