International besetztes Symposium diskutierte in Lauresham den Einsatz von Zugrindern in Land- und Forstwirtschaft sowie Transport

Mit dem „World Draft Cattle Symposium“ (Zugrinder-Konferenz) hatte das Experimentalarchäologische Freilichtlabor Lauresham bereits zum zweiten Mal zu einer wissenschaftlichen Tagung eingeladen. Nachdem die Teilnahme an der Internationalen Zugtierkonferenz im Mai 2021 coronabedingt nur online möglich war, kamen dieses Jahr mehr als 130 Wissenschaftler, Fachleute und Praktiker aus über 20 Ländern an der UNESCO-Welterbestätte Kloster Lorsch zusammen. Seit nunmehr zehn Jahren steht Lauresham dort für die Erforschung und Vermittlung frühmittelalterlicher Lebenswirklichkeit. So war die Konferenz ein besonderer Höhepunkt im Jubiläumsprogramm.


Vom 8.- bis 10. März erörterten die Teilnehmenden in einen Konferenztag mit Vortrags- und Posterpräsentationen und einen praktischen Workshoptag die Bedeutung von Rindern als Zugtiere. Eindrücklich skizzierten die Schirmherren Wendell Berry (USA, Autor), Helena Norberg-Hodge (Schweden, Preisträgerin des Alternativen Nobelpreises), Chris Smaje (UK, Autor) und Tanja Busse (Deutschland, Autorin und Journalistin) in ihren Eingangsstatements Rahmen und Ziel der  Konferenz: Wie kann – völlig losgelöst von etwaiger Nostalgie - die Arbeit mit Zugrindern als ein möglicher Teil der Lösung der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts verstanden werden? Welche Bedeutung haben sie im globalen Kontext und als Teil einer nachhaltigen Zukunft.

2024 World Draft Cattle Symposium logo

Am Konferenztag wurde, ausgehend von Referaten und Erfahrungsberichten, innovative Ansätze diskutiert, wie Rinder im Rahmen regenerativer und nachhaltiger Landwirtschaft, im Forst, beim Transport oder sogar bei der Gewinnung von Wasser und Elektrizität eingesetzt werden können und wie das mancherorts bereits geschieht. Die drei Keynote-Speaker Barbara Corson (USA), Paul Starkey (GB) sowie Jim Slining (USA) umrissen in ihren Vorträgen Konzepte und Vorgehensweisen und regten zu intensivem Nachdenken an. Sachstandsberichte aus verschiedenen Ländern der Welt machten zugleich klar, dass jedes Land und jede Region lokal angepasste Lösungen brauchen, die den jeweiligen, spezifischen Herausforderungen entsprechen. Am Workshoptag erhielten die Konferenzteilnehmenden praktische Einblicke in die unterschiedlichen Aspekte der Arbeit mit Rindern, u.a. in Bezug auf Geschirrsysteme, Ausbildungsmethoden oder Maschinenkunde sowie die Herstellung von Klaueneisen oder Jochen und Kummeten.

Der Workshoptag endete mit der Vernissage einer Ausstellung im Laureshamer Besucherzentrum zur Kulturgeschichte des Jochs weltweit. Die Schau „Yoke-Joug-Ayoko. Eine Kulturgeschichte des Jochs durch die Jahrtausende“ wird bis 28. April gezeigt.

Schirmherrin Tanja Busse bei ihrer Ansprache am ersten Konferenztag

Journalistin und Autorin Tanja Busse, die selbst auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufwuchs, war eine der Schirmherrinnen des Symposiums. 

©Lauren Muney

Keynote Speaker Jim Slining USA

Jim Slining (USA) skizzierte in seiner Keynote die Bedeutung von Zugtieren für eine resiliente Landwirtschaft

©Lauren Muney

Mattilda Holmes

Archäozoologin Mattilda Holmes (GB) referierte über die Identifizierung von Pathologien an mittelalterlichen Rinderskeletten

©Lauren Muney

„Es ist uns gelungen, mit dieser Konferenz Menschen auf globaler Ebene intensiv zu vernetzen und durch unseren ganzheitlichen Ansatz auch die unterschiedlichsten Fachbereiche zusammenzubringen.“

Claus Kropp, Leiter des Freilichtlabors Lauresham

Ein übergreifender und verbindender Blick auf das Thema des Einsatzes von Zugrindern war ein weiteres zentrales Anliegen des Symposiums. Vortragende aus den Disziplinen Geschichtswissenschaft, Archäologie, Kunst, Museumsmanagement und Restaurierung, Ethnologie sowie Archäozoologie lieferten in ihren Beiträgen Denkanstöße, die allen Teilnehmenden neue Anknüpfungspunkte für die eigene Arbeit eröffneten. Gemäß dem Motto „Gemeinsam Lösungen finden“ ergaben sich noch im Verlauf der Konferenz erste neue Kooperationsprojekte und es wurden Ideen für die Zukunft geschmiedet.

Mit großer Freude wurde die Einrichtung eines Zentrums für Zugrinderforschung und -ausbildung am Freilichtlabor Lauresham verkündet. Dieses soll in Zukunft eine zentrale Rolle bei der internationalen sowie nationalen Vernetzung einnehmen und Praktiker und Fachleute zum gemeinsamen Lernen nach Lorsch bringen.

Konferenz Panel zu Rinderverhalten und Ausbildung

Konferenzpanel zum Verhalten und zur Ausbildung von Rindern

©Lauren Muney

Holzrueckeworkshop

Holzrückeworkshop am Praxistag

©Fokko Bloema

„Seit nunmehr zehn Jahren ergänzt das Freilichtlabor Lauresham auf einzigartige Weise das Gesamtkonzept unserer UNESCO Welterbestätte Kloster Lorsch. Es ist ein Ort der Bildung und der Forschung zugleich. Im zehnten Jahre seines Bestehens unterstreicht ein vielfältiges Jubiläumsprogramm den Erfolg von Lauresham in der Fachwelt und bei Besucherinnen und Besuchern. Forschung, Lehre und Engagement im gesellschaftlichen Diskurs zum Thema Nachhaltigkeit sind der Dreiklang, der die Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen in Lauresham in besonderer Weise prägt. Auch die Tatsache, dass wir heute 120 Personen aus 20 Ländern zu dieser Konferenz begrüßen dürfen, unterstreicht die Bedeutung, die das Freilichtlabor im Bereich Zugvieh hat.“

Volker Gilbert, stellv. Direktor SG, in seiner Begrüßung